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Geschichten aus dem Motorradsattel

Grünes Band – Tag 14: Gegenwind als Klassenfeind

Geschrieben von: Mark

Um 08:00 Uhr krieche ich aus dem Zelt. Wenigstens regnet es nicht mehr. Beim Kaffee besprechen wir das heutige Tagesziel. Gestern haben wir schon gemerkt, dass der Gegenwind ein Kilometerfresser ist. Daher wollen wir heute bis Lauenburg fahren. Die Etappe könnte auch aus einem Flussradweg-Planer stammen, denn es geht nur an der Elbe entlang. Bis wir abfahrbereit sind, ist es 11:30 Uhr.

Zuerst müssen wir noch unser Bargeld aufstocken und unsere Vorräte wieder auffüllen, daher geht es in Dömitz erst zur Bank und danach zum Supermarkt. Es sieht nämlich nicht so danach aus, als könnten wir das später auf der Etappe noch tun.

Wir brechen auf Richtung Rüterberg. Bei den ersten Kilometern bleibt der Gegenwind aus, da wir nicht direkt am oder auf dem Deich fahren müssen. In der Dorfrepublik angekommen gibt es endlich wieder etwas zum Thema Grenze anzuschauen und die Sonne kommt sogar zum Vorschein. Rüterberg war damals Sperrzonengebiet und sogar somit selbst durch einen Zaun von der DDR abgeschnitten. Am 8. Nov. 89 hat das Dorf beschlossen eine eigenständige Republik zu werden – ein Tag später fiel die Mauer. Der Blick auf die Elbe ist genauso geschichtsträchtig, da dort um den Grenzverlauf gestritten worden ist. Es soll auch noch einen Grenzturm in der Nähe geben, den wir jedoch nicht finden.

Es ist 13:00 Uhr und es sind erst 10km gemacht. Nach Rüterberg kommen wir schon auf den Elbdeich. Und da ist er – Der Gegenwind. Wir müssen kräftig gegen ihn anstrampeln. Ohne E-Motor-Unterstützung läuft bei mir nichts. Ständig muss ich gegenlenken um nicht vom Weg gepustet zu werden. Wir bleiben erst mal unterhalb vom Deich, da wir befürchten, dass es auf den Deich noch schlimmer ist. Zwischen Wehningen und Bohnenberg macht die Elbe eine starke Biegung. Als wir um den Elbe-Knicks rum sind, eröffnet sich für uns eine ganz andere Strampelwelt – Kein Gegenwind sondern Rückenwind. Prompt mache ich den E-Motor aus und strampele in der gleichen Art und Weise weiter. Das kosten wir jetzt aus. Der Tacho zeigt 27 km/h. So kann es weitergehen.

Als die Elbe kurz vor Laake den Schlenker wieder in die andere Richtung macht, ist alles wieder vorbei – Gegenwind. Uns wird das Treten schwer und wir beschließen, dass die nächste Bank unsere ist. Nur doof, das Diese natürlich auf dem Deich steht und kein Weg herauf führt. Wir lassen die Räder unten stehen und nehmen unser Proviant mit nach oben. Voller Erwartung gleich die Elbe sehen zu können, oben angekommen: nur grünes Wiesenland und starker Wind. Hätten wir ein Flensburger aufgemacht, wäre es wie in der Werbung. Anstatt dessen futtern wir unser „Mittag“. Es ist viertel vor zwei und 57 Kilometer müssen wir noch – Den meisten Weg davon direkt an der Elbe entlang.

Da die Elbe jetzt keine starken Schlenker mehr machen wird, stellen wir uns auf Gegenwind die ganze weitere Fahrt über ein. Wir probieren verschiedene Varianten aus: wir fahren unten am Deich, das ist anstrengend und es gibt ewig das gleiche Panorama, rechts plattes Land und links grüne Wand. Wir fahren auf dem Deich, das ist genauso anstrengend aber unangenehmer, weil der Wind auch von der linken Seite peitscht, aber wir sehen die Elbe – nach ein paar Kilometern geht es wieder unten am Deich lang. Weitere Varianten: wir fahren nebeneinander in Hoffnung uns unterhalten zu können. Es gibt nichts zu sagen und wenn doch, brüllen wir uns mehrfach an, da unser „Gespräch“ im Winde verhallt. Daher eine effizientere Methode: Hintereinander fahren, weil der Hintermann durch den Windschatten, nicht ganz so stark getroffen wird. So fahren wir abwechselnd, mal der eine, mal der andere vorne weg. – Ich verstehe nicht, wie man Spaß an Flussradwanderwegen haben kann.

Kurz vor 15:00 Uhr entdecken wir ein Schild: „Gedenkstätte – innerdeutsche Grenze“. Wir wollten sowieso Pause machen und sind kurz vor Darchau. Einmal steil vom Weg herunter über einen Wiesenweg stehen wir vor einer Denkpyramide aus Trümmern. In einem Überstand informieren wir uns, dass es die Überreste von Gebäuden sind, die dem Grenzstreifen weichen mussten. Noch ein Müsliriegel und etwas Rohkost und dann zurück zum Radweg.

Ich fange mittlerweile auf dem Fitness-Armband schon die Kilometer herunter zuzählen, ab wann wir endlich von diesem verdammten Deich wegkommen. Der Gegenwind zerrt an meinen Nerven und an meiner Kondition. Bereits nach einigen Kilometern nach unserer letzten Pause müssen wir wieder anhalten – Ehrensache, da es ein Stück erhaltene Grenze mit Wachturm, mit Blick auf die Elbe gibt. Aber auch dieser ist nicht frei zugänglich. Wir können ihn mal wieder nur von unten bestaunen. Es ist kurz vor 4 und wir haben ungefähr Halbzeit, als wir wieder los strampeln.

Wir kämpfen weiter gegen den Wind und die Beine werden schwerer. Bei knapp dem 50. km müssen unsere Hintern mal vom Sattel und ein heißer Kaffee wäre nicht schlecht. Als wir am Deich durch Stiepelse fahren, hören wir aus einem Lokal Musik von Udo Lindenberg und es gibt einen großen Fahrradparkplatz. Wir parken und schauen es uns erst einmal von außen an. „Moin – die Räucherkate“ heißt es und wir treten näher. Die Bedienung ist sehr gesprächig und bietet uns auch etwas zu essen an. Den Fahrradakku laden, können wir hier auch – Das klingt gut, da der Gegenwind mir einige Restkilometer genommen hat. Also doch eine Std. Pause mit Fritten und Kaffee im Außenbereich eingelegt. Während wir unter dem Sonnenschirm sitzen, ziehen Wolken auf und es regnet. Den Schauer warten wir auch noch ab, wir haben jetzt schon genug Regenfahrt durchgemacht.

Nachdem der Schauer vorbei ist, ist es 17:50 Uhr, der Akku kommt wieder ins Lasti und es geht weiter. Zwar versucht die Bedienung uns noch auf einen Tee einzuladen, wir lehnen jedoch dankend ab. Es wird sonst zu spät. Natürlich geht es weiter am Deich entlang. Noch etwas mehr als 10 km sind es noch, bis wir uns endlich vom ihm trennen. Wir überqueren die Sude, einen Nebenfluss der Elbe und fahren an der Boize nach Boizenburg in den Hafen. Dort gibt es eine kurze Pause mit einem Müsliriegel und der Freude, ab jetzt keinen Gegenwind mehr zu haben.

Es geht auf die 19:00 Uhr zu als wir durch Boizenburg Richtung Lauenburg fahren. Es gibt keinen Gegenwind, aber einen ordentlichen Anstieg, der mir jetzt jedoch viel lieber ist. Als es wieder etwas abflacht, steht ein Checkpointturm mit Infotafeln an einer Gaststätte. Also doch nochmal anhalten und sich alles anschauen.

Dann geht es weiter, noch gut 18 km und das Etappenziel für heute ist erreicht. Vorher geht es aber noch ein kleines Stück, knackig bergauf – und das hier oben im Norden? Der Fahrradweg an der Straße ist gut ausgebaut und links von uns erstreckt sich der Elbhang-Vierwald. Die Sonne scheint tief, als wir die Kuppe passieren. Jetzt eine lange Bergabfahrt. – Balsam für meine Beine. Kurz vor dem Elbe-Lübeck-Kanal bei Lauenburg biegen wir rechts ab, Richtung Lanze. Der Campingplatz liegt am Lanzer See und wir fahren eine kleinere Landstraße ohne Radweg zwischen Wiesen und Felder entlang. Keine Herausforderung mehr, aber meine Kräfte sind für heute auch aufgebraucht. Gut, dass ich den Akku heute noch zwischenladen konnte, da mir ansonsten der Strom auf den letzten Kilometern ausgegangen wäre.

Am Campingplatz kommen wir um Punkt 8 an. Ich rufe den Platzwart an, da die Rezeption nur bis 19:00 Uhr besetzt ist. – Kein Problem, wir sollen uns einen Platz auf der Zeltwiese suchen, er kommt später noch vorbei. Josch hat uns inzwischen am Kiosk der gegenüberliegenden Gaststätte noch ein Feierabendbier besorgt und wir fahren zur Zeltwiese. Der einzige andere Bewohner mit Zelt ist auch ein Lastifahrer, mit dem heute Abend aber nur ein kurzer Wortwechsel stattfindet. Beim Zeltaufbau schaut der Platzwart vorbei, sieht aber, dass wir klar kommen. Nach einem kurzen Klönschnack ist er auch wieder verschwunden.

Jetzt das allabendliche Programm: Duschen und danach Abendessen kochen. Heute gibt es Bananenreis mit Frühlingszwiebeln und Peperoni – natürlich mit Feierabendbier.

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