Geschrieben von: Mark
Um 06:30 Uhr krieche ich verschlafen aus meinem Zelt. Ich kann mich noch nicht so recht ans Schlafen im Zelt gewöhnen. Den Regen von gestern Abend hat die Sonne noch nicht getrocknet, und meine gestern gewaschenen Klamotten sind immer noch recht nass. Erst mal die Frühstücksvorbereitungen: Ich gehe mit meinem Kaffeekocher über den Platz und fülle den Tank im Spülraum mit Wasser. Erst auf dem Rückweg habe ich die ersten anderen erwachten Camper gesehen. Gegen 07:00 Uhr ist auch Josch auf den Beinen und ich schmeiße den Gaskocher für unseren Kaffee an. Brötchen können wir erst ab 07:30 Uhr abholen, also muss der Kaffee erst einmal allein reichen.
Der Abbau und das Packen geht Josch schneller von der Hand als mir, wahrscheinlich fehlt bei mir die Routine. Wegen des Unwetters vor ein paar Wochen steht an jedem Wasserhahn der Hinweis, dass man das Wasser vor Verzehr abkochen sollte. Dafür ist jetzt keine Zeit wir füllen unsere Vorräte auf – für 9 Liter ist Platz. Dann zahle ich den Platz und bedanke mich für das Fahrradakku laden. Es ist kurz nach 10, als wir abfahren.
Unser Ziel ist eine 1nite-tent-Übernachtungsmöglichkeit nach der Tagestour von ca. 80 km, da es in der Gegend keine Campingplätze gibt. Wir sind recht spät vom Campingplatz los. Es gäbe zwei Übernachtungsmöglichkeiten, um einigermaßen an unserer Route zu bleiben.
Es ist ein sehr heißer Tag und die Etappe schwankt zwischen 420 und 790 Höhenmetern, und die mit sehr starken Steigungen und Gefällen. Dies habe ich gewaltig unterschätzt – wie sich noch rausstellen sollte.
Da wir ja an der alten innerdeutschen Grenze unterwegs sind, versuchen wir an jeder Gedenkstätte zu halten und uns die Relikte und Folgen des „Eisernen Vorhangs“ anzuschauen. Dies kostet Zeit, welche wir aber investieren wollen.
Dieser Tag hat es echt in sich. In Blankenstein müssen wir in Serpentinen weit hoch auf den Berg. Die erste Steigung ist zu viel für mich und das Lasti – Trotz E-Motor höchste Stufe und 1. Gang. Ich versuche zu schieben, keine Chance. Also wie Gestern: Josch fährt das erste Teilstück vor, stellt sein Rad ab und läuft zu mir nach unten. Dann müssen wir beide anpacken und schieben. Das restliche Stück komme ich, mit Unterstützung des E-Motors, allein nach oben – Mit deutlicher Einbuße der Restkilometer des Akkus. So geht es uns noch mehrfach auf dieser Etappe. Am Schlimmsten ist es, wenn dies auf einem unbefestigten Schotterweg in der prallen Sonne passiert.
Durch die Berge kommen wir langsamer voran als erwartet. Am frühen Nachmittag, während einer Pause, rufen wir die beiden Übernachtungsmöglichkeiten an. Nur einer geht ans Telefon: Tobi, der eine Wiese bei Sonneberg in Thüringen bereitstellt. Strom fürs Lastiladen geht klar, meint er. Wir sollen einfach anrufen, wenn wir da sind.
Leider verfahren wir uns an diesem Bergetappentag mehrfach und zwar genauso, dass die Restreichweite des Akkus darunter leidet. Wir bemerkten erst nach einer steilen Auffahrt, dass wir falsch abgebogen sind. Also zurück auf den Ausgangspunkt und dann wieder nach oben – nur in die andere Richtung.
Wir müssen noch 30 km bis zu Tobi und dann passiert es: Akku leer. Ich kämpfe mit den Steigungen im ersten Gang. Ich verfluche, dass das Lasti nicht noch zwei Gänge mehr im unteren Bereich hat – In Hannover fahre ich immer im 3. Gang an. Laut Route müssen wir ein Stück direkt auf dem alten NVA-Grenzweg fahren, aber der Anblick auf den nächsten Kilometer davon lässt uns rechts abbiegen. Viel zu steil. Das war der nächste Fehler: Der Waldweg endete auf einer Lichtung mit hohem Gras. Die Komoot-App zeigt auf einen Weg, den es einfach nicht gibt. Also nächster Versuch mit Google-Maps, welcher auch hilft. Mit einem vollbepackten Lasti mit mir drauf, sind es ca. 175 kg, die es jetzt ohne E-Unterstützung durch das hohe Gras zu bewegen gilt. Endlich wieder ein Weg. Aber ich bin mit meinen Kräften am Ende. Wir müssten mehrfach Pause machen, damit ich mich überhaupt noch bewegen kann. Der Vorrat an Wasser und an Müsliriegeln schwindet. Wir haben noch 20 km vor uns.
Welch ein Glück: die nächsten Kilometer geht es nur bergab. Ohne zu treten erreichen wir Geschwindigkeiten von über 20km/h. Es fängt an zu dämmern. Bald sind wir in der letzten Senke angekommen und machen kurz Pause.
Noch 11km bis zur Wiese von Tobi und es geht Berg auf und zwar auf einer Landstraße ohne Radweg, in Serpentinen – und es ist fast dunkel. Ich kann nicht mehr. Die Kraft reicht nicht mehr um den Anstieg zu treten. Ich muss schieben und Josch macht mit. Nach jeder Kurve brauche ich eine Pause, weil selbst das Schieben verdammt anstrengend ist. Auf den letzten Kilometern der Serpentinen, wechseln wir uns mit dem Schieben des Lastis ab. Wir sind oben und fluchen. Die letzten Kilometer geht es wieder Berg ab, allerdings auf einem Waldweg mit Schotter. Also rauf auf den Sattel. Im Dunkeln reichen unsere Radscheinwerfer gerade noch so aus, um den schlimmsten Schlaglöchern auszuweichen. Es ist 22:15 als wir bei Tobi vor der Haustür stehen. Kurz davor haben wir schon eine Wiese bemerkt, auf der noch etwas los zu sein schien.
Sofort war klar: Tobi ist ein schräger Typ, geschätzt kurz vor 30 und anfangs schon am Telefon sehr wortkarg. Das löst sich aber etwas auf, als wir den Lasti-Akku zum Laden anschließen. Jetzt rauf zur Wiese: Josch und Tobi fahren vor und ich quäle mich ohne Akku den Schotterweg wieder hoch auf die Wiese. Dort kampiert schon ein Pärchen mit einem Kind. Alle sind sehr herzlich aber irgendwie schräg drauf. Es gibt ein Tipi in dem ein Lagerfeuer brennt. Tobi erzählt uns, dass er neben der Wiese solidarische Landwirtschaft betreibt und dass auf der Wiese alternatives Zusammenleben stattfinden soll. Da unsere Wasservorräte komplett aufgebraucht sind, stellt er uns einen 5l Kanister Trinkwasser vor die Nase.
Wir bauen erst einmal unsere Zelte auf. Ich fühle mich ziemlich ekelig. Duschen können wir erst morgen auf dem nächsten Campingplatz. Streng riechen, tun wir wohl nicht, da wir prompt die Einladung erhalten nach dem Aufbau ins Tipi zu kommen. Dort lassen wir den Abend in Gesprächen ausklingen. Essen fällt aus. Josch und ich sind einfach zu fertig, um noch irgend etwas zu kochen. Wir hätten sowieso nichts mehr gehabt, als unsere Notfalltütenmahlzeit.
Mark Wittig ist beruflich, sowie privat Agilist und Denkanstößler. Mehr zu Ihm auf der „Über Mich“-Seite von dadlog.de
Sebseb 23. August 2021
Ahoi Meisters,
wie kommt man denn bitte auf 175kg Systemgewicht?
nehmen wir mal an Mark wiegt 80kg (frech, ich weiß, aber leichter zu rechnen…), das Lasti 30.
Dann habt ihr bei Mark 65kg Gepäck?
Ich fahre mit 10kg Gepäck, also ohne Kochgeschirr, weil wir immer essen gehen 🙂 aber so schwer kann n Bunsenbrenner mit Topf ja nicht sein, oder was übersehe ich da?
Kuscheldecke, Bibel, Trainingshanteln?
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Glück auf
Sebseb
Mark Wittig 23. August 2021 — Autor der Seiten
Mit 30 kg Leergewicht kommst du beim lasti nicht aus. Es wiegt 70 kg leer. Mit mir drauf sind es dann 140 und dann ca. 35 kg Gepäck, Lebensmittel und Wasser, was allein auch schon knapp 10 kg wiegt.
Sebseb 23. August 2021
Oha, mit dem Fahrradgewicht habe ich nicht gerechnet.
Aber auch 35kg Gepäck klingt zum Radeln noch echt viel. „Josch kann ja wohl auch mal was machen“ 🙂
Schön geschrieben, jetzt habe ich den Blog (bis 18.) durch.