Geschrieben von: Josch
Um 21 Uhr treffen Mark und ich uns am Aufzug an Gleis 4. Wir wollen mit dem Nightjet der ÖBB über Nacht nach Wien fahren und von dort entlang des Iron Curtain Trails (Eurovelo 13) zurück nach Hannover radeln. Die Sache mit dem Grünen Band hat uns auf der letzten Radtour gefallen und dies wollen wir so ähnlich nochmal machen, nur mit ein bisschen Ausland dazu.
Genau so hatten wir uns die Abreise auch vorgestellt. Nur eben eigentlich 5 Tage früher am Freitag. Spulen wir die Zeit ein wenig zurück: Es war auch schon alles fertig. Das Fahrrad war komplett vorbereitet, Donnerstag Abend habe ich noch die letzten Sachen gepackt und auf Rad geladen. Als letztes ToDo stand noch Zugtickets ausdrucken aus, die wir bereits vor einigen Monaten gebucht hatten.
Doch auf den Tickets stand nichts von den Fahrrädern. Wir haben die Tickets zusammen gebucht und haben beide auf den Laptop geschaut und waren uns 100%-ig sicher, dass wir Fahrräder ausgewählt hatten. Um nochmal sicher zu gehen, dass wir die Fahrräder mitnehmen können, rufe ich bei der Hotline der ÖBB an. Zum Glück sind sie noch bis 21 Uhr erreichbar, es ist bereits schon ca 19 Uhr. Nach ein paar Minuten in der Warteschleife, erreiche ich einen netten Herrn, der mir sagt, dass wir gar keine Fahrradplätze gebucht hätten und nun auch keine mehr verfügbar seien. Für mich erstmal ein Schock. Was machen wir nun mit dem Urlaub? Wie bekommen wir die Räder nach Wien? Unser Zeitrahmen ist sehr eng, diese 2 Wochen waren schon der größte gemeinsame Nenner auf den Mark und ich mit unseren anderen Terminen gekommen sind.
Der gute Mann ist allerdings sehr hilfsbereit. Wir telefonieren fast eine Stunde und gehen alle erdenklichen Optionen durch. Verschieben? Nicht so einfach, da auch in den nächsten Tagen keine Fahrradplätze mehr verfügbar sind und es später mit dem Zeitrahmen knapp wird. Selber mit dem Zug fahren und Rad per DHL nachsenden? Schwierig so kurzfristig zu organisieren. Doch tagsüber mit der DB fahren? Auch dort sind alle Fahrradplätze weg und keine in den kommenden paar Tagen verfügbar. Die Tour umdrehen, nach Wien radeln und zurück mit dem Nightjet? Auch dafür gibt es keine Fahrradplätze mehr. So geht es eine ganze Weile weiter, bis ihm nach „Schaffner bestechen“ auch die Ideen ausgehen. Wir verbleiben dabei, dass umbuchen möglich wäre, dies muss ich aber erst mit Mark besprechen, der von diesem Schlamassel noch gar nichts weiß.
Mark ist genauso verwundert wie ich, wieso sie keine Plätze haben, obwohl wir diese doch gebucht hätten. Ich gebe ihn eine kurze Zusammenfassung des Gesprächs mit der ÖBB. Die Tour ganz verschieben, ist auf jeden Fall raus, da wir erst wieder im September gemeinsam Zeit dafür hätten. Also müssen wir es irgendwie jetzt hinbekommen. Flixbus wäre noch eine Idee, die nehmen allerdings keine E-Bikes mit. Mark ist dieses Mal wieder mit einem E-Bike unterwegs, allerdings kein Lasti. Wir könnten auch eine andere Tour fahren. Nach Zürich gäbe es z.B. noch Stellplätze, dann müssten wir aber eine komplett neue Tour raus suchen. Nach langer Überlegung, entscheiden wir uns auf den Mittwoch nach Wien umzubuchen. Das passt mir nicht ganz in den Kalender, aber dafür wird sich auch noch ein Kompromiss finden lassen, allerdings haben wir dann gar keine Puffer mehr, falls wir mehr Tage brauchen als geplant.
Zurück in der ÖBB Hotline spreche ich mit jemand anderes. Also schildere ich nochmal unser Problem von vorne. Die Umbuchung klappt so jedoch auch nicht. Wir haben sogenannte Mini Cabins gebucht, ähnlich wie ein Kapselhotel, auf der Verbindung gibt es aber nur noch freie Sitzplätze und ein Privatabteil. Das Umbuchen würde nur in der gleichen Kategorie oder höher gehen, also steht nur ein Privatabteil zur Auswahl. Da dies aber schlappe 600 Euro kostet, möchte ich Mark vorher fragen. Es ist bereits kurz vor 9 und nochmal werde ich heute bei der Hotline nicht anrufen können, um die Tickets umzubuchen. Ich Frage extra nach und die Dame versicherte mir, das dies auch noch am nächsten Tag möglich sei.
Das tut der Reisekasse zwar ordentlich weh, dennoch entscheiden wir uns diese Variante zu nehmen. Also merke ich mir vor, Freitag Morgen dies nun endlich abzuschließen. Als Plan B suchen wir uns noch heraus, dass es einen DB-Zug tagsüber gibt, den man anscheinend noch buchen kann. Mit dem guten Gewissen die Tour nochmal gerettet zu haben, trinken wir noch ein Bierchen zusammen. Dabei rätseln wir immer noch daran, wie wir es schaffen konnten, keine Fahrradtickets zu buchen. Nach ein bisschen wildem Herumprobieren auf der Website des Nightjets merken wir: Wählt man 2 Personen und Fahrräder aus und klickt auf „Suchen“ passt noch alles, will man sich aber „frühere“ oder „spätere“ Verbindungen anzeigen lassen, wird die Auswahl der Fahrräder einfach gelöscht, die Personen bleiben aber stehen. Da muss man auch erstmal drauf kommen.
Am Freitag morgen rufe ich also erneut bei der Hotline an. Nachdem ich alles von vorne erklärt habe, heißt es dann, dass man das nun nicht mehr umbuchen könne. Die Kollegen vom Vortag hätten keinen entsprechenden Vermerk bei der Buchung hinterlegt und der Vorgesetzte kann das auch nicht durchwinken. Die Hotline-Mitarbeiterin könne nur jetzt einen entsprechenden Eintrag hinterlegen und wir können versuchen die Tickets auf Kulanzbasis über ein Formular erstattet zu bekommen.
Wieder stehen wir also vor der Frage, wie wir nun nach Wien kommen. Einfach so das Abteil zu buchen, ist uns definitv zu teuer ohne sicher sie Rückerstattung der anderen Tickets zu bekommen. Als Plan B hatten wir noch eine DB Verbindung. Nunja es sieht aus als ob man die buchen könnte. Die Verbindung und ein Preis für 2 Personen und 2 Fahrräder werden angezeigt, klickt man allerdings auf „Buchen“ kommt ein Fehler. Buchungssysteme für Züge scheinen sehr schwierig umzusetzen zu sein.
Von einem Kollegen bekomme ich noch den Tipp direkt an einen Bahnschalter zu gehen, die hätten mehr Möglichkeiten. Als frühe Mittagspause fahre ich also zum Hauptbahnhof und stelle mich in die Schlange. Die Dame am Schalter ist auch sehr engagiert. Sie geht in unseren Zeitraum alle möglichen Verbindungen und alle möglichen Zwischenhalte durch und schaut wo sie uns noch unter bekommt. Doch obwohl die Züge eigentlich leer sind, sind keine Fahrradplätze mehr verfügbar. Der letzte Strohhalm wäre ein Zug von Würzburg nach Wien am Dienstag, der noch etwas frei hat. Allerdings hilft uns das nicht viel, wenn wir nicht nach Würzburg kommen.
Nach einem weiteren Krisengespräch, buchen wir letztendlich doch den Nightjet am Mittwoch Abend, allerdings mit Sitzplätzen, da diese noch bezahlbar sind, dafür, dass wir überhaupt noch los kommen. Es wird zwar nicht die angenehmste Nacht, aber dafür kommen wir an. Den Antrag auf Rückerstattung schicken wir natürlich auch direkt los.
Zurück in die Gegenwart, am Mittwoch Abend: Meine Freundin ist auch noch dazugekommen, zum Verabschieden und so machen wir uns nun auf zum Gleis. Bevor wir in den Fahrstuhl einsteigen, kommt noch die Ansage, dass unser Zug Verspätung hat und auf einem anderen Gleis abfährt – was haben wir auch anderes erwartet. Die Vorfreude endlich loszufahren ist groß und so nehmen wir das noch gelassen.
Nun sind wir zwar vor dem Fahrstuhl am geänderten Gleis, doch gleich ist das nächste Malheur geschehen. Beim Einsteigen möchte Mark das Hinterrad ein wenig umsetzen, um auch in den kleinen Fahrstuhl reinzupassen, fässt dabei nur leider am Sattel an und unter dem starken Gewicht biegt sich eine Sattelschiene aus der Halterung hinaus. Auf der 11 Stündigen Zugfahrt werden wir genug Zeit haben, die Stange da wieder herein zu biegen.
Ein bisschen Zeit haben wir noch, bis der Zug dann einfährt und wir nochmal ans andere Ende des Gleises zum Fahrradwagon sprinten dürfen, da es keine Info zur Wagenreihung gab. Drinnen stehen wir erstmal eine Weile ratlos im Weg herum, weil jemand unsere beiden Fahrradplätze mit einem Klapprad belegt. So hätten wir es natürlich auch machen können. Ein Fahrradplatz ist übrigens ein beweglicher Arm mit Klemme, um ein Fahrrad vor Klappsitzen festzumachen. Die Zugbegleiterin macht den Besitzer schnell ausfindig und löst die Situation, sodass wir unsere Räder nun abstellen können.
Bevor wir zu unseren Sitzplätzen gehen, probieren wir noch eine Stunde herum, um den Sattel wieder zu reparieren. Die schweißtreibende Arbeit müssen wir leider erfolglos abbrechen. Mittlerweile sind wir schon an Göttingen vorbei. Auf unseren Plätzen suchen wir im Internet nach einer Lösung für den Sattel. Doktor Google sagt allerdings, das so etwas nicht einfach so repariert werden kann und ein neuer her muss. In Wien wird es bestimmt noch den ein oder anderen Fahrradladen geben.
Im Zug ist es sehr still, die meisten schlafen auch mehr oder weniger schon. So kehrt auch bei uns langsam Ruhe ein, während der Zug in gemütlichem Tempo weiter Richtung Österreich fährt.
Josch Bockler ist ein begeisterte Zweirad-Fahrer und versucht sich als Blogger.
Josch Bockler 24. Juli 2024 — Autor der Seiten
Ich hatte zufällig ein paar Tage später folgen Artikel in meinem Newsfeed. Wir scheinen also nicht die einzigen mit Problemen bei der Kombi Fahrrad und Nightjet zu sein.
https://www.derstandard.de/story/3000000227603/warum-es-nahezu-unmoeglich-ist-mit-dem-fahrrad-im-nachtzug-zu-reisen